Hä?!

Als Hörakustikerin bin ich es ja gewohnt, mit schwerhörigen Personen zu kommunizieren. Meine gut artikulierte französische Aussprache zum Beispiel betrachte ich als „défaut professionnel“, also als im Beruf antrainierte Fehlhaltung. So schlage ich mich jedenfalls ziemlich gut durch, und auch mein Bauchgefühl kommuniziert intuitiv meistens richtig, und somit kann ich manchmal schon im Voraus ahnen,welche Wörter mein Gegenüber gleich formulieren wird. Ich wende auch an, dass man Schwerhörigen immer das Gesicht zuwenden sollte beim Sprechen und zuerst Aufmerksamkeit erregen, damit sie eine sogenannte Horch-Haltung einnehmen können, bevor Information weitergeleitet wird.

Dennoch entdecke ich mich zutiefst entnervt, dass meine Grosstante des öfteren auf meine Bemerkungen mit „Hä?!“ reagiert. (Ich sollte es mal zählen, aber es sind sicher erschreckend viele Dutzend Mal am Tag… also lieber nicht 😉 Ich schiebe es auf ihr (Des-)Interesse an Beiträgen zur Kommunikation meinerseits. Ausserdem erzählt sie mir sowieso lieber tausend mal ihre eigenen Gschichtli, die ich doch eh schon kenne, als dass sie mal mit mir über etwas Aktuelles diskutieren würde. Ihr Hörvermögen ist statistisch gesehen noch nicht wirklich schlecht. Dass sie weniger gut hört als früher ist ihr auch gut bewusst, und einige Massnahmen zur akustischen Verbesserung (z.B. Hörbügel im Theater) hat sie auch schon ergriffen. Aber dieses ständige „hä?!“, welches wie ein Vorwurf klingt, dass man die betreffende Person gerade in einem wichtigen Gedankengang gestört hätte, ist im wahrsten Sinne des Wortes ohrenbetäubend und beziehungs-killend. Und ich entdecke an mir ein anderes klassisches Verhaltensmuster, welches Angehörige von Schwerhörigen meist an den Tag legen: ich rede halt nur noch, wenn es wirklich wichtig ist, und behalte den Rest von interessanten Dingen, die mir im Laufe des Tages in den Sinn kommen, für mich. Das ist so wahnsinnig schade! Und hängt aber gerade in diesem Stadium der beginnenden Schwerhörigkeit einfach auch damit zusammen, dass der oder die Betroffene sich möglichst lange ohne Hörgerät durchschummeln möchte. Dieses Verhalten macht auch vor einer Expertin nicht halt, und ich habe kein professionnelles Gegenrezept. Leider. Auch mein Hinweis darauf, dass es evtl. „wie bitte?“ heissen könnte, hat nicht gefruchtet. So begegne ich Frau „hä?!“ jetzt einfach mit „he du!“ und freue mich über diejenigen Momente, wo Kommunikation in beide Richtungen funktioniert. Missverständnisse sind natürlich dadurch auch an der Tagesordnung, aber das nutze ich gerade als gute Gelegenheit, ganz klar und ohne paraverbale Kommunikation sagen zu lernen, was man will und was nicht, auch im privaten Bereich 😉

P.s.: Uebereinstimmungen mit existierenden Personen sind zufällig und werden in jedem Fall abgestritten 😉

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