Der / die Lautere gewinnt

Gestern an einer Performance vom Industrieviertelfestival in Waldegg NÖ. Eine Autorin und ich haben einen Dialog mit Stimme und Sounddesign von und über einen Steinbruch vom Band kreiert. Das Ganze wurde nach einer strikten Partitur mit Zeit- und Raumangaben aufgeführt. KeineR wusste vom Anderen, was der oder die in welchem Moment aufführte…

Leider hat sich heraus gestellt, dass das Konzept einen Parameter vergessen hatte: die Lautstärke. Was tun, wenn man eine leise Passage gestalten möchte, während dem die Schauspielgruppe im benachbarten Sektor in belustigtem Krächzen aufgeht? Oder wenn eine Sopranistion die Halle mit Operngesang erfüllt? Nichts einzuwenden gegen alle diese Darbietungen, und auch nicht gegen das Konzept, Kunst parallel laufen zu lassen – die heutige Kunstwelt lebt ja wie alles Mediale im Überfluss und muss aus den gebotenen Informationen das für sie Wesentliche herausfiltern.

Jedoch gingen Teile unserer Performance leider ziemlich unter. Gelernt habe ich: im Live-Sektor darf man nicht mit einem fix konstruierten Vorschlag auftreten. Man muss frei sein für Improvisation, denn nur so können Interaktionen entstehen.

Kleine Anekdote am Rande: Eine mit Hörgeräten ausgestatte Person beschimpfte zwei Autorenkollegen, dass sie ihre Texte zu leise vorgetragen hätten. Dass sie in dieser Kunst-Kakofonie nichts verstehen würde, war mir schnell klar. Ausserdem sass der dünne Schallschlauch nicht richtig, was sie aber auch nach vorsichtigem Einwand meinerseits nicht ändern wollte – naja, tant pis! 😉

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Ein Kommentar zu Der / die Lautere gewinnt

  1. Als anwesender Zuschauer habe ich die Lösung gewählt, mich möglichst nahe an einer von mir gewählten akustischen Mauer aufzuhalten. In meinem Fall war das die Sopranistin. Auch räumlich ermöglichte das einen besseren Überblick auf die Verhaltensweisen, die durch so eine mimisch dominierte Performance jeden Text letztlich zwingend überlagern.
    Wäre ich einer der Autoren, dann würde ich eine mir adäquate Mauer um das Geschehen ziehen, um meinen Raum, der in Folge dieser virtuellen Innenarchtektur-Partitur umgegliedert eingegliedert ist, auch zurückerhalten zu können. Somit also so mein Recht auf Autonomie der Kunst zu verteidigen. Dies könnte sich aber nur ergeben, wenn alle Mitteln, die da auf mich einwirken als Manipulatoren, somit alle Vorgänge, in deren medialer und performativer Methodik gespiegelt dabei eingesetzt werden.
    Wenn ich also ein Autor wäre, der als Performer in einem vorgegebenen Baum singen soll, mitten im Wald von den Anderen dann übertönt zur Gleichheit hin. Ein Ungleicher unter Gleichen. Somit mein Werben erfolglos, meine Kunst vertan, meine Freiheit verletzt und ich zertrümmert zu Beton als Amalgam statt einer Fusion und Gestaltung, dann würde ich eine Abgelegenheit bauen – eine abgelegene mediale Räumlichkeit installieren:
    Die Zuspielung der Steinbruchgeräusche erfolgt nur für die Autoren direkt über Kopfhörer vom eigenen Tongeber. Ein Autor verbleibt immer in dem Raum konkreter Poesie. Was ist ein Autor? Niemand sonst hört seine Geräusche. Die Verlesung der Texte erfolgt als Schaffung. Eine Kamera begleitet ihn als sein geliebtes Ding. Diese Aufnahme der Bilder durch ihn stößt die Zuschauer fort. Jede andere Aufnahme prallt am Bildnehmer ab. Ich vollziehe den Text. Ich performe den Wunsch. Ich liebe dieses Okular in dem Film meiner Sprache. Mein Mund ist so groß. Das Bild macht ihn größer. Das Video bleibt dabei mein Raum und in meinem Audio, meinem zermahlenen Gestein, wird die Performace angehalten. Ich spreche lieber zu leise oder zu laut und wenn ich niemanden beachte dann ist das meine Kunst – nicht ihre. ich spreche in mein Gegenüber, aus dem mich alle beachten. Meine Kamera, mein Film, mein Video, mein Audio. Ich digitalisiere diesen meinen Blick, als meine Kulisse. In mir die Sprache. Nur in mir Geräusche. Dann – später, dann baue ich daraus den Film auf. Einen Film als Autor, als der bildgebende Textgenerator. Als ein geräuschummantelter sich lieber selbst bestimmt medial zertrümmernder Beobachter als der einer fremdbestimmten Amalgamisierung entsprechend Folgeleistender.
    Das ist das Wesen einer Arie. Niemand wird sich dagegen auflehnen und niemand wird sie berühren. Der Text ist ohne Performance. Das ist ein Raum als Mauer. Das ist dem Medium Mensch möglich.
    Kaum jemand wird in der Lage sein dich dabei klar zu hören, wie auch jetzt schon. Kaum jemand wird in der Lage sein die Geräusche zu erfassen – wie auch schon jetzt laufend geschehen. Nahezu niemand wird den Film sehen – außer du willst ihn bestimmen und auch so zeigen. Niemand wird sich dabei aber gegen dich stellen können oder deine Kunst bemühen – du bist ein Medialisierter. Die Geräusche des Steinbruchs sind dein Begleiter. Nur der sich nicht um die Umgebung kümmert, erkennt deren Haltung, die ihn bestimmt. Sollen sich doch andere bemühen etwas zu Filmen, das sie nicht einmal sehen, hören oder verstehen können, weil es einfach zu viel wird. Dann bist du eben viele. Sollen doch andere sich bestimmen lassen von arbeitsteiligen Zonen und inhaltsgebenden Bereichen. Ich bin als Autor eigene Zone. Ich nehme Platz und dort bilde ich mich aus, schreibe meine Texte so wie der Klang mein Bild wird und wenn ich die Kamera damit umarme. Aber unter meinen Händen und nicht in anderer Hände gelegt. Das ist die Freie Kunst als Literatur und nicht als Sprache. Du bestimmst den Text. Der Text wird nie performt. Du bist das Ereignis.
    Wäre ich ein Autor und kein Sprachkünstler, vielleicht ein Klanggestalter, oder gar ein bildender Künstler, wäre ich ein Film an diesem Ort. Keine Beobachtung kann mich hier wiedergeben oder abgenommen sein. Es ist wie das Pferd. Es ist einfach nicht nützlich genug so.

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